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Schlackenverwertung Theis auf dem Rangierbahnhof Seelze
1921 eröffnete ein neuer Betrieb in Seelze
Schlackenverwertung Theis um 1950
Wer sich Seelze von Süden her nähert, vom Döteberger Kirchbuschweg, am Neubaugebiet Seelze-Süd vorbei über die alte Kanalbrücke, sieht sich direkt hinter der Brücke mit einem bemerkenswerten Bauwerk konfrontiert. Es steht auf Stelzen, reckt sich turmartig in die Höhe und erinnert entfernt an eine verwahrloste Kirche. "Theis KG" lautet die unbefriedigende Auskunft eines verblaßten Schriftzuges auf dem Beton.
Es handelt sich bei diesem Turmbau um den oberirdischen Teil einer Schlackenaufbereitungsanlage, die unterirdisch durch mehrere Materialbunker ergänzt wird. 1921 wurde dieses Werk zur Schlackenverwertung im Bezirk der Reichsbahndirektion Hannover errichtet, ähnliche Anlagen der Firma Theis (Firmensitz Neuwied) entsorgten die Schlacken der Bezirke Kassel, Erfurt, Frankfurt/M., Trier und Köln.
Schlacken: das waren die Verbrennungsrückstände der mit Kohle beheizten Dampflokomotiven, die in großen Mengen anfielen und aus Lehrte, Braunschweig, Hildesheim und Bremen in Lorenwagons nach Seelze transportiert wurden. Hier wurden in guten Zeiten täglich bis zu 170 t Schlacken von 25 Belegschaftsmitgliedern verarbeitet.
Die Feuerungsrückstände der Dampflokomotiven bestanden zu etwa 25% aus brennbarem Koks unterschiedlicher Körnung, und diesen Brennstoff galt es in erster Linie auszusondern. Das geschah zum größten Teil von Hand an Laufbändern. Der feinkörnige Koks, sogenannter Zinder, wurde preisgünstig an die Industrie verkauft (z.B. an Ziegeleien oder Zementwerke), der grobkörnige diente als billiger Hausbrand. Viele Seelzer holten sich diese Restkohle mit dem Handwagen.
Die nach Aussonderung des Brennstoffs zurückbleibenden Reinschlacken wurden maschinell in mehrere Körnungsqualitäten sortiert, die teilweise zu Baustoffen weiterverarbeitet wurden. Als Anschauungsbeispiel für diese Verwendung dient das noch heute westlich der Aufbereitungsanlage stehende ehemalige Verwaltungsgebäude des Seelzer Werkes: Es wurde aus Schlackensteinen errichtet. Reinschlacken fanden außerdem vornehmlich beim Wege- und Sportanlagenbau Verwendung, der feine Schlackensand im Winter auch als abstumpfendes Streumaterial.
Mitte März 1945, beim letzten großen Bombenangriff auf den Rangierbahnhof vor dem Kriegsende, wurde die Schlackenaufbereitungsanlage durch einen Volltreffer zerstört. Doch im Oktober 1947 wehte der Richtkranz über einem Neubau, jenem, der heute noch von früheren Zeiten kündet, als die Eisenbahn noch mit Dampflokomotiven fuhr. Die Elektrifizierung der Eisenbahn hat Mitte der 1960er Jahre die Dampfloks und damit auch die Schlackenaufbereitung arbeitslos gemacht.
Das markante Gebäude der früheren Schlackenverwertung wurde in den 2010er Jahren abgerissen.
Eine ausführlich beschriebene Fahrradroute zu Zeugen der Industrialisierung, u.a. in Seelze, finden Sie unter industriewege-hannover.de. Die Route berührt auch den Rangierbahnhof mit den Gebäuden der früheren Schlackenverwertung.
Norbert Saul, Stadtarchiv
Haben Sie noch Fragen? Möchten Sie noch weitere Informationen? Dann schauen Sie doch mal im Heimatmuseum Seelze vorbei. Oder wenden Sie sich an das Stadtarchiv.